Ich mache seit einiger Zeit eine seltsame Beobachtung, die mit meiner morgendlichen Radtour in meinem Fitnessraum zu tun hat. Die Erklärung, für, das, was zunächst einfach paradox erscheint, die möchte ich Euch nicht vorenthalten:
Ich habe morgens direkt nach dem Aufstehen zwei Möglichkeiten für meinen Weg ins Büro:
- Ich stehe auf, ziehe meine Sportsachen an, gehe in den Fitnessraum und radle eine halbe Stunde, dann Duschen, anziehen und ins Büro.
- Ich stehe auf, gehe Duschen, ziehe mich an und gehe ins Büro.
Nun sollte man gemeinhin meinen, daß der Weg 1, also mit Radeln, länger dauert, als der Weg 2. Kurzfristig betrachtet, ist das auch richtig, stehe ich zum Beispiel um 6 Uhr auf, dann bin ich mit Methode 2 um 6:45 Uhr im Büro, mit Methode 1 erst um 7:30 Uhr. Soweit noch nichts Ungewöhnliches.
Sieht man sich aber um 12 Uhr an, wieviele Stunden ich an diesem Tag verrechenbar gearbeitet habe, dann habe ich an allen Tagen mit Lösung 1 bereits um 12 Uhr mehr verrechenbare Stunden auf dem Konto, als an Tagen mit 2 (da ich mitschreibe, wann ich wie lange im Fitnessraum war, kann ich das perfekt mit meiner Zeiterfassung korrelieren).
Wenn ich also zu einem Zeitpunkt X aufstehe und erstmal Zeit im Fitnessraum verbringe, dadurch also später ins Büro komme, dann arbeite ich mehr Stunden bis zum Zeitpunkt Y, als wenn ich gleich ins Büro renne? Klingt nicht wirklich wahnsinnig logisch, nicht?
Der Trick liegt in den ganzen “kleinen Störungen”, die in Form von E-Mails, kleinen Aufgaben, Meldungen in sozialen Netzwerken und allen möglichen Neuigkeiten auf uns lauern. Kleinigkeiten für die wir uns nicht explizit Zeit nehmen und das ist der Fehler: Wir bearbeiten sie nämlich trotzdem. Zwischendurch. Und aus diesem Zwischendurch kann ganz schön viel Zeit werden.
Was hat das jetzt mit meinem Fitnessraum zu tun?
Dort nehme ich mir Zeit für diese Kleinigkeiten. Auf dem Rad habe ich mein iPad mit und sehe ganz locker meine E-Mails durch, beantworte sie entweder oder mache eine Aufgabe draus (“kannst Du ein Mail in 90 Sekunden beantworten, tue es sofort, ansonsten mache eine Aufgabe draus”, nach Getting Things Done Methode von David Allen), sehe nach Kommentaren, Gefällt mirs, +1s in den den sozialen Netzwerken und ich sehe meine ToDo Liste durch, ordne und sortiere die Aufgaben für den Tag. Dazu habe ich eine halbe Stunde und wenns mal länger dauert, dann radle ich einfach länger, bis zu 50 Minuten, länger habe ich meistens keine Lust.
Der Effekt ist, daß ich danach mit einem aufgeräumten Kopf und einer ordentlichen ToDo Liste ins Büro komme und sofort mit den richtigen/wichtigen Tasks für den Tag konzentriert loslegen kann. Und das auch tue. Die Kleinigkeiten brennen ja nicht mehr an, die sind ja erledigt. Ich sehe nicht mal mehr nach E-Mails oder Facebook Nachrichten, denn ich habe sie ja gelesen. Das ergibt: Konzentrierte Arbeit. Verrechenbare Arbeit. Arbeit, die mich im Sinne meiner Projekte weiterbringt.
Gehe ich direkt ins Büro, dann nehme ich mir natürlich auch die richtigen/wichtigen Tasks aus der Aufgabenliste vor. Dazu muß ich natürlich erstmal reinsehen in die ToDo Liste und da sehe ich sie, die Kleinigkeiten, die heute noch gemacht werden müßten. Dann sehe ich in die E-Mails, es könnte ja was wichtiges drin sein. Nein, ich will doch diese eine Projektaufgabe erledigen. Aber vielleicht brennt was an? …..
Der an sich so paradoxe Unterschied, erscheint nun garnicht mehr so paradox: In einem Fall nehme ich mir bewußt Zeit für die Kleinigkeiten, und zwar eine begrenzte Zeit. Danach geht’s an die Projektarbeit. Im anderen Fall ignoriere ich die Kleinigkeiten, was dazu führt, daß ich mehr Zeit für sie aufwende. Daraus folgt:
Nimm Dir Zeit für die ungeliebten Kleinigkeiten, auch wenn die keine verrechenbare Dienstleistungszeit bringen.
Das geht natürlich nicht nur mit einem Fitnessraum im Keller (auch wenn das die gesündeste Variante ist) – ich könnte mir auch eine feste Zeit im Büro setzen, um die Kleinigkeiten zu bearbeiten. Oder im Zug (im Auto ist das allerdings nicht so praktisch). Wichtig ist nur, daß man sich an die gesetzte Zeit auch hält.